Die Privatinsolvenzen Dauer will die EU verkürzen

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Privatinsolvenzen sind persönliche Katastrophen. Die EU will nun eine Richtlinie verabschieden, die die Leidenszeit generell auf drei Jahre verkürzen soll.

Die Privatinsolvenzen Dauer will die EU verkürzen

Privatpersonen sind dank EU-Reform bald schneller schuldenfrei

Wer zahlungsunfähig wird, kann dank einer EU-Reform künftig die Schulden innerhalb von drei Jahren loswerden. Die Maßnahme stößt auf geteiltes Echo.

Der Rahmen ist gesteckt: Das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission haben sich vor wenigen Wochen auf eine Reform der Restrukturierungs- und Insolvenzrichtlinie verständigt.

Sie sieht im Kern vor, dass sich unternehmerisch tätige Personen künftig innerhalb von drei Jahren entschulden können, was auf eine Halbierung der bisherigen Frist hinausläuft. Das soll bedingungslos erfolgen, also ohne dass bestimmte Mindestquoten bei der Schuldentilgung erfüllt sein müssen.

Schuldnerberatungsstellen gehen davon aus, dass entsprechende Regelungen wie in der Vergangenheit auch auf private Personen angewendet werden. Auch für sie gilt derzeit eine sechsjährige Frist, die sich dann halbieren würde.

Dass es so kommt, gilt in Regierungskreisen als sicher. Offiziell reagiert man vorsichtiger. Auf Anfrage heißt es beim Bundesjustizministerium: Es werde geprüft, ob die Regelungen der kurz vor ihrer förmlichen Verabschiedung stehenden Richtlinie „auch auf Privatpersonen erweitert werden sollen“.

Inkassobüros alarmiert

Die deutsche Inkassowirtschaft, die aus Sicht der Gläubiger argumentiert, ist angesichts der Reformpläne bereits jetzt alarmiert. „Deutschland braucht kein Turbo-Insolvenzverfahren“, sagt Kirsten Pedd, die Präsidentin des Bundesverbandes Deutscher Inkasso-Unternehmen. Inkasso-Unternehmen treiben im Auftrag von Unternehmen ausstehende Schulden ein.

Die Reform schafft aus Sicht Pedds falsche Anreize und dürfte von vielen „als regelrechte Einladung zum Schuldenmachen missverstanden werden“. Eine Verdreifachung der Verbraucherinsolvenzverfahren hält Pedd als Folge für möglich. Schließlich gelten sieben Millionen Menschen in Deutschland als überschuldet.

Diese Argumentation kann Roman Schlag nicht nachvollziehen. „Ich finde den Plan gut“, sagte der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände dem Handelsblatt. Denn die Erfahrungen hätten doch gezeigt, dass Gläubiger jenseits einer Laufzeit von drei Jahren kaum mehr Geld bekommen.

„Der Vorwurf, dass Gläubiger viel Geld verlieren, geht folglich an der Realität vorbei“, so Schlag. Und wenn vorsätzlich Schulden gemacht werden, greife für diese Beträge bereits jetzt die Restschuldbefreiung nicht. Natürlich könne nicht ausgeschlossen werden, dass jemand leichtfertig Schulden macht. Aber da sieht Schlag auch die Gläubiger in der Pflicht. Die müssten die Risiken bei der Kreditvergabe oder bei Kaufprozessen entsprechend einschätzen.

Im vergangenen Jahr haben nach Angaben der Wirtschaftsauskunftei Creditreform 68.600 private Personen ein Insolvenzverfahren beantragt – fast fünf Prozent weniger als im Vorjahr. Damit setzt sich ein Trend fort, der 2010 begann, als noch knapp 111.000 Verbraucherinsolvenzen zu verzeichnen waren. Insgesamt warten derzeit rund 620.000 Personen in Deutschland auf die Restschuldbefreiung.

Hohe Hürden

Schon mit der Reform des Privatinsolvenzverfahrens im Jahr 2014 wurde das Ziel verfolgt, die Restschuldbefreiung auf drei Jahre zu verkürzen. Doch die dafür eingezogenen Hürden erwiesen sich für die meisten Privatpersonen als zu hoch.

Nur wer mindestens 35 Prozent der Gläubigerforderungen sowie die Kosten des Verfahrens für das Gericht und den Insolvenzverwalter begleicht, kann das Insolvenzverfahren vorzeitig abschließen. Während des Insolvenzverfahrens muss der Betroffene nur den Betrag zahlen, der über die Pfändungsgrenze hinausgeht.

Nur einem Bruchteil der betroffenen Personen gelingt es nach Einschätzung des Informationsdienstleisters Crifbürgel, das Privatinsolvenzverfahren vorzeitig zu beenden. Lediglich 7,4 Prozent schafften es, die Restschuldbefreiung auf drei Jahre zu verkürzen. Mit anderen Worten: „Die meisten Betroffenen sind erst nach sechs Jahren schuldenfrei“, konstatiert Crifbürgel-Geschäftsführer Christian Bock.

Bei den „unternehmerisch tätigen“ Personen ist die Quote noch geringer. Weniger als zwei Prozent dieser Schuldner gelingt es, in den Genuss einer Restschuldbefreiung nach drei Jahren zu kommen. Auffällig ist die regionale Spreizung. Während es in Bremen nur 4,4 Prozent der privaten Personen gelang, vorzeitig das Insolvenzverfahren zu beenden, schafften es in Thüringen immerhin elf Prozent.

Junge Leute schaffen es

Crifbürgel hat herausgefunden, dass es überproportional jungen Menschen gelingt, die Restschuldbefreiung nach drei Jahren zu erreichen. Das hänge mit den geringeren Schulden zusammen und der Möglichkeit, bei Arbeitslosigkeit schneller eine Tätigkeit aufnehmen zu können.

Die durchschnittliche Schuldenhöhe bei den Betroffenen liege bei etwa 30.000 Euro. Bei den unter 30-Jährigen sind es 11.000 Euro, in der Altersgruppe der über 60-Jährigen bis zu 45.000 Euro. Wann in Deutschland die EU-Richtlinie umgesetzt wird, steht noch nicht fest.

Beobachter gehen davon aus, dass die Bundesregierung das Projekt schnell anpacken wird. Im Bundesjustizministerium heißt es: „Die Frist für die Umsetzung der Richtlinie beträgt zwei Jahre, kann aber einmalig um ein Jahr verlängert werden.“
Quelle: handelsblatt.com

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