Allgemeine Fragen zur EU-Insolvenz
Kann man sich auch schneller entschulden?
Ja. Im Gegensatz zu Österreich und Deutschland, in dem das Restschuldbefreiungsverfahren sehr lange dauert, sind diese Verfahren in vielen anderen Ländern kürzer. Das EU-Recht ermöglicht es EU-Bürgern, in anderen Ländern das Insolvenzverfahren durchzuführen, wenn sie dort ihren Lebensmittelpunkt haben. Diese Erteilung der Restschuldbefreiung durch Gerichte in anderen EU-Mitgliedstaaten, z. B. in Lettland und England, wird in Deutschland, Österreich sowie anderen EU-Ländern anerkannt.
Zuletzt aktualisiert am 2020-04-23 von Die Insolvenz Berater.
Entschuldung in 12 Monaten. Klingt gut, aber wo ist der Haken?
Erfahrungsgemäß wird insbesondere das englische Insolvenzverfahren bis zur Erteilung der Restschuldbefreiung routiniert und problemlos verlaufen. Schwierigkeiten können aber nach Ihrer Rückkehr auftauchen, d. h., wenn die deutschen Gläubiger die EU-Restschuldbefreiung anerkennen müssen.
Zwar gilt nach der europäischen InsVO der Grundsatz, dass die deutschen Gläubiger die englische oder lettische Restschuldbefreiung automatisch anerkennen müssen.
Kann man Ihnen aber nachweisen, dass Sie nur deshalb ins Ausland gezogen sind, um sich Ihrer Schulden in Deutschland zu entledigen, erklärt das deutsche Gericht die ausländische Restschuldbefreiung für wirkungslos.
Den Nachweis einer rechtsmissbräuchlichen Verlegung des Wohnsitzes mit der Folge eines ordre public Verstoßes muss allerdings der Gläubiger führen, d. h. er muss Ihr rechtsmissbräuchliches Verhalten beweisen.
Ob sich ein deutscher Gläubiger überhaupt die Mühe macht, wenn es bei Ihnen ohnehin nichts zu holen gibt und ob ihm dieser Nachweis gelingt, ist zweifelhaft. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes ist die EU-Restschuldbefreiung jedenfalls dann anzuerkennen, wenn bei Ihnen“anerkennenswerte Gründe für den Wohnsitzwechsel bestanden haben“.
Aber ein Restrisiko bleibt. Das Risiko wird umso größer, je öfter Sie sich vor allem in der Endphase des Verfahrens in Deutschland aufhalten.
Der zweite Haken sind die Kosten der EU-Insolvenz. Der Schuldner bzw. sein Sponsor darf nicht völlig mittellos sein. Das Aufrechterhalten des Lebensmittelpunktes und natürlich das Entschuldungsverfahren in England oder Lettland kostet ordentlich Geld.
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Was sind die wichtigsten Voraussetzungen für ein lettisches oder englisches Insolvenzverfahren?
Die wichtigste Voraussetzung für das Verfahren in Lettland oder England ist, dass der Schuldner seinen Lebensmittelpunkt und die wirtschaftlichen Interessen in Lettland oder England hat. Mindestens 6 Monate vor Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens muss der Schuldner schon in Lettland oder England seinen Wohnsitz und seinen Lebensmittelpunkt nach Lettland oder England verlagert haben. Hierbei werden die gesamten Lebensumstände beurteilt, um festzustellen, wo der Lebensmittelpunkt des Schuldners ist, also die Wohnsituation, die Erwerbstätigkeit und auch die familiäre Situation. Eine weitere wichtige Voraussetzung ist, dass Lebenshaltungs- und Verfahrenskosten gedeckt sind.
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Wird die Restschuldbefreiung nach lettischem oder englischem Recht in Deutschland und Österreich anerkannt?
Nach Art. 3 in Verbindung mit Art. 26 Europäische Insolvenzverordnung werden ausländische Privatinsolvenzen und deren Rechtsfolgen – also Restschuldbefreiung – von den EU-Staaten gegenseitig anerkannt.
Gerichte müssen die Gerichtsbeschlüsse der anderen EU-Länder zur Schuldenbefreiung seit einer Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 2001 bedingungslos anerkennen. Dieser Grundsatz wurde später gesetzlich in der Europäischen Insolvenzverordnung verankert.
Umgekehrt darf einem deutschen oder österr. Staatsbürger die Insolvenz in England oder Lettland nicht versagt werden. Der Weg zum englischen oder lettischen Insolvenzverfahren ist also seit dem Jahr 2001 für jeden Staatsbürger frei.
Der Grund, weswegen die Schuldenbefreiung in England oder Lettland bereits nach ca. 1 ½ Jahren eintritt, liegt an den Entschuldungsgesetzen der Länder. Eine sechsjährige Wohlverhaltensperiode wie Deutschland oder Österreich ist dort nicht vorgesehen. Der Betroffene erhält die Schuldenbefreiung bereits mit dem Abschluss des einjährigen Verfahrens.
Rechtliche Grundlage der EU-Entschuldung ist die Anerkennung der ausländischen Entschuldungsverfahren samt Restschuldbefreiung in Deutschland (siehe Verordnung EG-Nr. 1346/2000 des Rates vom 29.05.2000).
Entsprechend dieser Verordnung werden in Deutschland die Entschuldungsverfahren mit Restschuldbefreiung anerkannt, wenn die Verfahren dem deutschen Recht ähnlich sind. Dass das englische und lettische Recht dem Deutschen ähnlich ist, wurde wiederholt von deutschen Gerichten bestätigt.
Zuletzt aktualisiert am 2020-04-23 von Die Insolvenz Berater.
Wie verhält es sich mit Immobilieneigentum, ist eine Entschuldung möglich?
Grundsätzlich können Sie sich auch als Eigentümer von deutschen Immobilien über das englische Insolvenzverfahren befreien. Sie gehen aber das Risiko ein, dass Ihnen aufgrund der Immobilie neue Schulden entstehen.
Solange die Immobilie überschuldet ist, wird sich der englische Insolvenzverwalter nicht dafür interessieren und die Restschuldbefreiung nach 12 Monaten erteilen.
Allerdings behält die über Grundschulden abgesicherte Bank das Verwertungsrecht und wird ein Zwangsversteigerungsverfahren einleiten. Entstehen in der Zeit zwischen Insolvenzantrag und Versteigerung neue Immobilienschulden wie beispielsweise laufende Wohngelder bei Eigentumswohnungen, haften Sie wiederum für diese neuen Schulden.
Sind Sie bereit, dieses Risiko einzugehen, steht Ihnen der Weg zur schnellen Entschuldung auch als Immobilieneigentümer offen.
Zuletzt aktualisiert am 2020-04-23 von Die Insolvenz Berater.